Artikel von: LID-Landwirtschaftlicher Informationsdienst  
     
 

Milchschafhaltung – Eine attraktive Nische für Bauern mit Eigeninitiative

Produktion und Absatz von Schafmilch sind eine Chance für innovative Landwirtschaftsbetriebe in den Berg- und Hügelzonen. Und Schafmilchprodukte sind etwas für Geniesser und für Leute, die Kuhmilch nicht vertragen.

Mit der zunehmenden Liberalisierung der Agrarmärkte und verstärkter Ausrichtung der Produktion auf den Markt nimmt die Vielfalt in der landwirtschaftlichen Produktion zu. Im Gegensatz zu früher werden heute in den Berg- und Hügelzonen die möglichen Alternativen zur Rindviehhaltung wahrgenommen. Ein kleines Milchkontingent, alte und unzweckmässige Gebäude, hohe Arbeitsbelastung oder auch einfach die Lust etwas Neues, Anderes zu machen, führt viele Betriebsleiter zur Nischenproduktion. Eine mögliche Variante ist die Milchschafhaltung. Vorteilhaft sind die hohe Wertschöpfung, geringe Ansprüche an Gebäude und Einrichtungen, gute Absatzchancen für Schafmilch und deren Produkte sowie die geringeren Landschäden, welche die leichten Tiere bei der Beweidung von steilen Hängen verursachen. Regionale Verarbeiter sehen in der Schafmilch ebenfalls eine Chance, um mit dem daraus hergestellten Joghurt und verschiedenen Käsesorten die Herstellung und Vermarktung von Spezialitäten aufzubauen.

Milchschafhaltung als Alternative?

tt. Für Bauern, die eine hohe Wertschöpfung von einer relativ kleinen Betriebsfläche erwirtschaften möchten, lohnen sich eventuell Milchschafe, insbesondere wenn sie die Produkte selber verarbeiten und vermarkten. Dies erfordert jedoch neben einem hohen Arbeitseinsatz und bedeutenden Investitionen, die sich für eine Hofkäserei leicht auf bis zu Fr.100‘000 summieren können, viel Wissen und alle anderen persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen der Direktvermarktung, wie die Fähigkeit und Neigung zum Verkäufer und die Nähe zum Konsumenten. Ein angemessenes Einkommen lässt sich nur erzielen, wenn die Stallkosten tief sind. Beim Neubau eines einfachen Hallenstalles sind vergleichsweise tiefe Kosten von unter 1‘000 Frankenpro Grossvieheinheit keine Seltenheit. Altgebäude eignen sich nur bedingt, da das Schaf hohe Ansprüche an die Luftqualität stellt und somit einen kalten Stall mit gutem Luftaustausch benötigt. Viele Milchschafhalter haben jedoch mit kleinen Beständen im alten Stall begonnen, und sind erst voll in die neue Produktion eingestiegen, als ihnen die Tiere wirklich ans Herz gewachsen sind. Denn die Milchschafe stellen recht grosse Ansprüche an Futterqualität und Pflege. Die Neigung des Betriebsleiters spielt eine grosse Rolle bei der Frage, ob Milchschafhaltung eine sinnvolle Alternative darstellt. 

Grosse Schwankungen in der Milchleistung

Zwei Milchschafrassen sind in der Schweiz verbreitet, das Ostfriesische Milchschaf und das aus Frankreich stammende Lacaune Schaf. Während ersteres die höhere Milchleistung aufweist, sind die Lacaune genügsamer und robuster. Die Ostfriesischen Milchschafe sind saisonal, das heisst die Brunst dauert vom Herbst bis zum Frühjahr. Die Schafe werden aber meist alle gleichzeitig gedeckt, weil so die Aufzucht effizienter wird. Nach einer Tragezeit von 145 Tagen werden die Lämmer hauptsächlich im Februar geboren, manche Betriebe streben aber einen späteren Ablammtermin an, um das ganze Jahr über Milch liefern zu können. Nach der Lämmersaugzeit werden die Schafe etwa 200 bis 280 Tage gemolken und stehen dann trocken bis zur nächsten Ablammung. Die Lacaune lammen im Herbst ab und werden von Dezember bis zum Sommer gemolken. Die Milchleistung schwankt bei beiden Rassen stark, abhängig vom Futter und davon, wie lange die Lämmer gesäugt werden. Für eine wirtschaftliche Produktion sollten 350 bis 400 Liter pro Jahr angestrebt werden. Das Milchschaf ist sehr fruchtbar, mit häufigen Zwillings- und Drillingsgeburten. Die Lämmer weisen gute tägliche Zunahmen von 300 bis 500 Gramm aus und liefern ein zartes, geschmackvolles und fettarmes Fleisch.
Im Milchschafverband sind 350 Produzenten zusammengeschlossen, die insgesamt etwa 3‘000 Tiere halten. Somit lebt das Milchschaf in der Schweiz überwiegend in kleinen und kleinsten Beständen. Ein paar wenige Produ- zenten halten 80 bis 100 Tiere, für die meisten ist es ein kleiner Nebenerwerb.

Kann Schafmilch trinken, wer Kuhmilch nicht mag?

tt. Oft ist die Rede von Kuhmilchallergikern, die Schaf- und Ziegenmilchprodukte in der Ernährung einsetzen. Unter Kuhmilchallergie versteht die Schulmedizin eine übertriebene Immunreaktion auf die Eiweissbestandteile der Milch, die vor allem Säuglinge und Kleinkinder befällt, aber auch im Erwachsenenalter auftreten kann. Symptome sind Verdauungsstörungen, Hautausschläge und Asthma. Weil sich die Zusammensetzung des Eiweisses zwischen den einzelnen Tierarten nur unwesentlich unterscheidet und auch die Schafmilch die auslösenden Eiweisse Kasein und Molkeneiweiss enthält, reagieren die meisten echten Kuhmilchallergiker auf die Schafmilch genauso allergisch wie auf Kuhmilchprodukte.
Selbst in spezialisierten Allergiekliniken sind nur 1 Prozent der Patienten Nahrungsmittelallergiker, weitaus häufiger tritt die sogenannte Kuhmilchunverträglichkeit auf. Nicht unbedingt eine einzelne Substanz, wie ein bestimmtes Eiweiss, löst die Symptome aus, sondern ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren, das den Körper überfordert. Diese Personen vertragen Kuhmilch nicht, reagieren aber nicht unbedingt auf Allergietests. Meist können sie Schaf-, Ziegen-, oder Stutenmilch problemlos geniessen.  

Milchschafe schonen die Bergwiesen

Das Milchschaf erlaubt eine ökologische Bewirtschaftung der Bergwiesen. Die leichten Tiere verursachen keine Trittschäden. Auf der üblichen Portionenweide, bei der den Schafen pro Tag ein neues Stück Weide eingezäunt wird, weiden die Tiere nur kurze Zeit, so dass die sonst in vielen Schafwiesen zu beobachtende Überweidung mit nachfolgendem Rückgang der Artenvielfalt unterbleibt. Viele Milchschafhalter wirtschaften zudem biologisch nach den Richtlinien der Knospe, wodurch neben dem Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Düngern auch die maximal erlaubte Tierzahl der Fläche angepasst und der Futterzukauf reglementiert sind. Auch der Parasitenbefall ist im Vergleich zu den Fleischschafen geringer.
Milchschafe könnten ein zusätzliches Standbein für Milchviehbetriebe im Berggebiet darstellen, um freiwerdende Futterreserven zu nutzen, wenn zum Beispiel die Rinderaufzucht nicht mehr wirtschaftlich ist. Im Toggenburg hat sich ein Landwirt einen fahrbaren Melkstand gebaut, um entlegene, steile Hänge mit den Schafen zu beweiden. Schafe werden nicht das ganze Jahr über gemolken, wodurch die Arbeitsbelastung weniger gross ist als beim Milchvieh. Vor der Umstellung muss aber eine seriöse Abklärung des Absatzmarktes erfolgen. Verträge mit den Abnehmern laufen in der Regel nur über ein Jahr, so dass die Umstellung mit erheblichen Risiken für den Landwirt verbunden ist.


Schafmilch – gut für Geniesser und Empfindliche

Der Schafmilch wird ein hoher gesundheitlicher Wert zugeschrieben. Neben dem Vitamingehalt, der teilweise deutlich über demjenigen der Kuhmilch liegt, enthält sie viel Orotsäure, die regenerierend auf das Zellgewebe wirkt. Ausserdem ist sie geschmacksneutral und konzentrierter als Kuhmilch, mit einem hohen Fett- und Eiweissanteil. Dadurch haben Schafmilchprodukte eine cremige Konsistenz und sind sehr mild. Joghurt, Frisch- und Weichkäse aus Schafmilch entsprechen also dem Konsumtrend zu gesunden Nahrungsmitteln mit hohem Genusswert. Dazu kommt das positive Image aufgrund der natürlichen Haltung und Fütterung. Aber auch die zunehmende Zahl von Personen mit Kuhmilchunverträglichkeit stellt eine wichtige Konsumentengruppe dar (siehe Kasten). Der Biofachhandel beklagt die schwierige Beschaffung der begehrten Schafmilchprodukte, so dass die Nachfrage zumindest im Biobereich das Angebot übersteigt. Dabei spielt aber auch das saisonale Angebot von Schafmilch eine Rolle.
Auch die Grossen wie Migros und Swiss Dairy Food haben Schafmilchkäse im Angebot, denn die cremigen Weissschimmelkäse entsprechen der Nachfrage nach mehr Weichkäse und Auswahl an der Käsetheke. Schafmilchspezialitäten passen aber vor allem gut zur regionalen Vermarktung mit einem Gütesiegel. So werden Schafmilchspezialitäten aus dem Zürcher Berggebiet unter dem Label "natürli" vertrieben, der Davoser Schafskäse enthält im Namen eine Ursprungsbezeichnung. Der Hinweis auf Landschaft und Natur vermittelt ein gutes Image und Sicherheit.
 

Feta und Pecorino aus dem Toggenburg

Auch im Toggenburg laufen die Bioschafmilchprodukte unter dem Gütesiegel "Toggenburg". Die Käserei Stofel der Familie Stadelmann stellt neben Bergkäse aus Kuhmilch auch verschiedene Spezialitäten aus biologischer Schafmilch wie Weich- und Frischkäse, Feta und Pecorino her. Feta und Pecorino lassen Erinnerungen an Ferien im Süden aufkommen. Stadelmanns legten bei der Produktentwicklung aber Wert auf die hiesigen Geschmackspräferenzen und so sind die südländischen Spezialitäten der Käserei Stofel etwas milder und weniger salzig als die Importprodukte. Stadelmanns bieten auch Butter aus Schafmilch an. Denn sie beliefern Biofachgeschäfte in der Ostschweiz und möchten vor allem gesundheitsbewusste Konsumenten zufriedenstellen, die bei Kuhmilchunverträglichkeit nicht auf Molkereiprodukte verzichten wollen. Durch regionale Verarbeitung werden einerseits weite Transportwege vermieden, andererseits kann das Produkt mit dem Gütesiegel "Toggenburg" ausgezeichnet werden. Bedingung für die Lieferung von Schafmilch an die Käserei Stofel ist biologische Produktion nach den Bestimmungen der Qualitätssicherung Milch, Kühlung und eine Betriebsstätte im Toggenburg.

* Tanja Trauboth ist Agrar- und Umweltfachfrau und Journalistin


Zusammensetzung von Kuh-, Schaf-, Ziegen- und Stutenmilch (pro 100g)

Nährstoff

Einheit

Kuhmilch

Schafmilch

Ziegenmilch

Stutenmilch

Energie

kJ

276

400

281

199

Wasser

g

87,5

82,7

86,6

89,7

Fett

g

3,8

6,3

3,9

1,5

Kohlenhydrate

g

4,5

4,6

4,2

6,2

Eiweiss

g

3,3

5,3

3,7

2,2

Kasein

g

2,7

4,7

2,9

1,2

Quelle: "Newslaiter", April/Mai 1998, ZVSM, Bern